Viren – schon die letzten anderthalb Jahre war ein Virus ausschlaggebend für unser gesellschaftliches und berufliches Leben. Und auch wenn jetzt viele nach einer Aufhebung der Maskenpflicht rufen – was in Anbetracht der mutierten Corona Deltavariante ja auch irgendwie albern ist – im Schatten des Coronavirus scheint ein weiteres Virus, zumindest lokal, seinen Siegeszug antreten zu wollen: das Hantavirus.
Das Hantavirus wurde erstmalig Anfang der 1950er Jahre erkannt und stammt aus Südostasien. In Deutschland ist vor allem Baden-Württemberg als Infektionsgebiet betroffen. Hier gibt es schon seit mehreren Jahren immer wiederkehrend höhere Infektionszahlen, so zuletzt im Jahr 2019. Aktuelle Zahlen lassen aber vermuten, dass in diesem Jahr die Anzahl an Infektionen geradezu explodieren wird.
Aktiver Träger des Hantavirus ist die Rötelmaus, sowie die Brandmaus, übertragen wird das Virus jedoch durch das Einatmen der Aerosole der Ausscheidungen der Maus, da die Viren ausserhalb des Wirtes mehrere Tage infektiös bleiben können. Merke: Maske tragen scheint auch hier das Infektionsrisiko deutlich zu senken!
Eine Übertragung durch den Biss der Maus scheint es aktuell nicht gegeben zu haben. Da der Erreger jedoch auch im Speichel der Maus nachgewiesen wurde, ist davon auszugehen, dass auch ein Biss das Hantavirus übertragen wird.
Allerdings wurde das Virus mittlerweile auch auf vielen anderen Trägern nachgewiesen, damit nimmt das Risiko der regionalen Ausbreitung, sowie der damit einhergehenden Infektion natürlich deutlich zu.
Eine Mensch zu Mensch Übertragung scheint bei den in Europa vorherrschenden Virusarten nicht möglich zu sein. Jedoch ist diese Form der Übertragung bei der in Südamerika vorkommenden ANDV Varianten des Hantavirus möglich.
Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 4 Wochen, in Ausnahmefällen kann sie sich auf 5 Tage verkürzen bzw. bis zu 60 Tage betragen.
Eine Infektion mit dem Hantavirus kann im Großen und Ganzen einen ähnlichen, wenn auch in Einzelfällen nicht so dramatischen, Verlauf haben, wie es momentan beim Coronavirus der Fall ist.
Viele Infizierte merken nichts von einer möglichen Infektion, bleiben symptomlos oder aber zeigen sich mit unspezifischen, grippeähnlichen Anzeichen. Auf Grund der unspezifischen Anzeichen wird meist nicht die mögliche Ursache der Infektionszeichen erfragt. Man kann also auch von einer hohen Dunkelziffer an Hantavirus infizierten Patienten ausgehen.
Asiatische und europäische Varianten des Hantavirus können das Hämorrhagische Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) auslösen. Süd- und nordamerikanische Varianten gelten als Ursache für das Hantavirus-induzierte (kardio-) pulmonale-Syndrom (HPS bzw. HCPS).
Beide Krankheitsbilder werden als „Hantavirus-Erkrankung“ bezeichnet und zeigen parallele Symptome und klinische Bilder, so dass zumindest im Rettungsdienst eine Differenzierung zwischen beiden Krankheitsbildern wohl eher nicht möglich ist.
Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS)
Das Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) wird in verschiedene Phasen eingeteilt. Da der Rettungsdienst (wie auch der Hausarzt) mit Patienten Kontakt haben wird, welche sich in der ersten Phase dieser Erkrankung befinden, sollte bei Patienten mit hohem Fieber, Schüttelfrost und Lethargie, Kopfschmerzen, Bauch- und Rückenschmerzen, Schwindelgefühl, Benommenheit und Sehstörungen, gelegentlich Haut- und Schleimhautblutungen oder Petechien und einem Erythem (Rötung der Haut) der oberen Körperhälfte, sowie konjunktivale Blutungen und Epistaxis (neben der obligatorischen Coronaabfrage) auch nach Bissen durch Wildtiere, aktiver Aufenthalt in Wald- und Wiesengebieten oder in Bereichen mit erhöhten Mäuseaufkommen gefragt werden. Klassisch ist da sicherlich auch das Beräumen von Ställen, Scheunen oder dem Dachboden.
Beim Fortschreiten der Krankheit kommt es dann in Phase 2 weiterhin zu einem massiven Blutdruckabfall und einer Thrombozytopenie, mit der Konsequenz eines massiven und irreversiblen Schocks, welcher dann weiterführend zu einem Nierenversagen mit obligat tubulärer Proteinurie und Hämaturie führt und somit dann die Phase 3 der Erkrankung darstellt.
Je nach Konstitution und Vorerkrankungen des Patienten kann es eine Vielzahl an weiteren (und unspezifischen) Begleitsymptomen geben.
Hantavirus-induziertes-(kardio-)pulmonales Syndrom (HPS/HCPS)
Das Hantavirus-induziertes-(kardio-)pulmonales Syndrom (HPS/HCPS) beginnt ebenso unspezifisch und zeigt sich mit abrupt-hohen Fieber und wird mit Übelkeit, Erbrechen, Myalgien, Schwäche, Schwindel, abdominale Schmerzen begleitet.
Im Verlauf bekommt der Patient Husten und leidet an einer Tachypnoe mit Dyspnoe. Eine folgende kardiopulmonalen Dekompensation mit Lungenödem und die Entwicklung eines schnell progredienten Atemnotsyndroms (ARDS) runden die Symptome des Hantavirus-induziertes-(kardio-)pulmonales Syndrom (HPS/HCPS) ab.
Die Letalität liegt bei diesen Verlaufsformen bei 25-40%.
Beiden Erkrankungsformen ist gemein, dass die tatsächliche Ursache, sowie der absolute Schweregrad der Erkrankung in erster Linie nur laborchemisch bestimmt werden können. Der Rettungsdienst kann also lediglich die Symptome behandeln, nicht jedoch die Ursache.
Das RKI empfiehlt, bei folgenden Symptomen und Anhaltzeichen, sowie einer passenden Eigenanamnese, eine Hantavirus-Erkrankung in Betracht zu ziehen und diese diagnostisch abklären zu lassen:
- akuter Krankheitsbeginn mit Fieber > 38,5 °C
- Rücken- und/oder Kopf- und/oder Abdominalschmerz
- Proteinurie und/oder Hämaturie
- Thrombozytopenie
- Serumkreatinin-Erhöhung
- im Krankheitsverlauf Oligurie, beziehungsweise nachfolgend Polyurie
Als Schutzmassnahmen reichen bei infizierten Patienten die üblichen Massnahmen bei Eigenschutz und Hygiene aus. Auch wenn eine Mensch zu Mensch Übertragung praktisch ausgeschlossen ist, sollte grundsätzlich ein Mund-Nasenschutz / ggfs. eine Schutzbrille getragen werden.
Ein umfassende Anamnese des Patienten kann eine Identifizierung einer Hantavirus Erkrankung beschleunigen, insbesondere der Kontakt zu Mäusen, Mäusekadavern, Aufenthalt in verschmutzten Räumen, Aufenthalt in Risikogebieten etc. sollten hier als Anhaltspunkt für eine mögliche Infektion genommen werden.
Quellen:
Robert Koch-Institut
Ärzteblatt
Stuttgarter Nachrichten