Mit der Gabe von Medikamenten durch den Notfallsanitäter steigt natürlich auch unweigerlich die Gefahr von Fehlern bei der Medikamentengabe. Insbesondere, da der Notfalleinsatz i.d.R. weitab von idealen Zeit-, Raum-, Licht- und Umgebungsverhältnissen stattfindet. Es gilt also, ein Umfeld zu schaffen, welches einem idealen Einsatzort Nahe kommt.
Meist wird der Patient in den Rettungswagen verbracht, um hier halbwegs ideale Arbeitsverhältnisse zu haben, wobei diese “idealen” Arbeitsverhältnisse auch nur ein Kompromiss darstellen und weit entfernt von dem Ideal im Schockraum oder OP sind.
Potential für Verwechslungen: gleiche Ampullenform, gleiche Ampullenfarbe – „LASA“ Problem genannt
Um trotzdem ein sicheres Arbeiten und eine sichere Medikamentengabe zu gewährleisten kann man sich an der 6-R-Regel orientieren, welche in der Pflege bereits seit langer Zeit etabliert ist bzw. etabliert sein sollte
6-R-Regel
richtiger Patient – im Normalfall behandelt der Rettungsdienst nur einen Patient – wenn aber mehrere Patienten versorgt werden, ist eine eindeutige Zuordnung des Patienten zum Medikament lebenswichtig
richtiges Medikament – ähnlich aussehende und/oder ähnlich klingende Medikamente müssen zweifelsfrei identifiziert werden – das „look-alike or sound-alike“ bzw. LASA Problem
richtige Dosierung – hier gelten die Angaben entsprechend den SOPs bzw. die Vorgaben des Notarztes
richtige Zeit – spielt im Rettungsdienst eher eine untergeordnete Rolle, allerdings geben die Algorithmen hier bisweilen auch eine Reihenfolge der zu gebenden Medikamente vor
richtige Applikation – Unbedingt zu beachten! i.v. Medikamente sind zur nasalen Gabe z.B. eher ungeeignet, Medikamente zur Inhalation werden nicht i.v. gegeben
richtige Dokumentation – im Nachgang ist ein Medikament, welches in der Dokumentation fehlt, im Zweifelsfall ein nicht gegebenes Medikament – darauf achten, dass das richtige Medikament, die richtige Dosis und ggf. die daraus resultierenden Effekte umfangreich dokumentiert werden
Darüber hinaus bietet sich insbesondere im Rettungseinsatz auch noch das 4-Augen Prinzip an, mit dem ein zweiter Mitarbeiter die korrekte Ampulle identifiziert.
Dass das Verfallsdatum der Medikamente vor jeder Medikamentengabe geprüft wird, sollte sich von selbst verstehen.
Auch organisatorisch können im Vorfeld Maßnahmen getroffen werden, welche das Risiko mindern, dass falsche Medikamente verabreicht werden.
So sollten gleich aussehende Ampullen mit unterschiedlichen Wirkstoffen voneinander getrennt gelagert werden, ggf. sollte der Lagerort eindeutig beschriftet sein.
Vielleicht eher suboptimal beschriftet und erkennbar gemacht…
Problematisch vor allem bei kleinen Patienten: die physiologische Wirkung von Kochsalz und Glukose unterscheidet sich schon deutlich, v.a. wenn man ein Kind mit einer Hyperglykämie hat.
Trockenpulver Medikamente, welche erst am Einsatzort zu einer Lösung vermischt werden, sollten immer in unmittelbarer Nähe zum Lösungsmittel gelagert werden. Es sollte vermieden werden, Medikamente, welche mit Lösungsmitteln verwechselt werden können, in der Nähe von Trockenpulver Medikamenten zu lagern.
Weiterhin muss man sich über die Beschriftung der Ampullen Gedanken machen. Im Rettungsdienst werden i.d.R. die Ampullen vollständig entleert und aufgezogen. Eine Beschriftung der Wirkstoffkonzentration mit mg/ml, wenn mehr als ein Milliliter in der Ampulle vorhanden sind, kann zu falschen Dosierungen am Patienten führen, wenn man sich dieser Form der Beschriftung nicht bewusst ist.
Im Eifer des Gefechts ist die Inhaltsmenge übersehbar: 50mg Ampulle Esketamin
Auch ein Aspekt der Lagerung ist die Unsitte, nach Chargenkontrollen Medikamente mit dem Verfallsdatum sichtbar im Ampullarium zu lagern. Im Normalfall sind so weder der Wirkstoff, noch die Dosis erkennbar.
Erstmal Ampullen drehen? Wenns schnell gehen soll? (Das sind die Ampullen H2 Blocker, MCP und Metamizol vom oberen Bild)
Auch muss man sich die Frage stellen, ob es Sinn macht, immer und immer wieder neu aussehende Ampullen mit dem gleichen Wirkstoff von unterschiedlichen Anbietern im Sortiment zu halten, nur um ein paar Cent in der Beschaffung zu sparen? Hier wird auf Kosten der Patientensicherheit wohl am falschen Ende gespart.
Man sollte also auf der Hut bei der Medikamentengabe sein. Die Auswahl an Fehlerquellen ist groß. Also seid wachsam und denkt immer an die 6-R-Regel!
Quellen:
https://www.asklepios.com/tiefenbrunn/qualitaet/sicherheit-uebersicht/medikamentenvergabe/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32198938/