Sepsis ist ein medizinischer Notfall, der durch eine gefährliche Reaktion des Körpers auf eine Infektion ausgelöst wird und zu Organversagen führen kann. Die frühe Erkennung und Behandlung sind entscheidend, um die Überlebenschancen zu verbessern. Fieber ist ein häufiges Anzeichen für eine Infektion und kann auch bei Sepsis auftreten. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass Fieber bei manchen Patienten mit Sepsis fehlen kann, insbesondere bei älteren oder immungeschwächten Personen.
Sepsis erkennen: Verschiedene Tools für die Präklinik
Die präklinische Erkennung von Sepsis ist oft eine Herausforderung, da die Symptome vielfältig und unspezifisch sein können. Neben dem Vorhandensein oder Fehlen von Fieber sollten Rettungsdienstmitarbeitende auf weitere klinische Hinweise achten, die auf eine mögliche Sepsis hindeuten. Hier sind einige in der Präklinik verwendete Screening-Tools und Kriterien, die bei der Einschätzung helfen können:
- SIRS-Kriterien (Systemic Inflammatory Response Syndrome): Diese Kriterien umfassen unter anderem eine Körpertemperatur über 38°C oder unter 36°C, eine Herzfrequenz über 90 Schläge pro Minute und eine Atemfrequenz über 20 Atemzüge pro Minute. Das Vorliegen von zwei oder mehr dieser Kriterien in Verbindung mit einem vermuteten Infektionsfokus kann auf Sepsis hindeuten.
- qSOFA (quick Sequential Organ Failure Assessment): Dieser Score beinhaltet die Beurteilung des mentalen Zustands, der Atemfrequenz (≥ 22/min) und des systolischen Blutdrucks (≤ 100 mmHg). Das Vorliegen von zwei oder mehr dieser Kriterien kann ein Hinweis auf eine höhere Wahrscheinlichkeit für Sepsis sein.
- NEWS2 (National Early Warning Score 2): Dieses System verwendet eine Gewichtung verschiedener Vitalparameter, einschließlich Temperatur, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Bewusstseinszustand, um ein Risikobewertung für den Patienten zu erstellen. Ein höherer Score deutet auf ein höheres Risiko für unerwünschte Ereignisse hin und kann bei der Sepsis-Erkennung hilfreich sein.
- Prehospital Sepsis Score (PSS): Dieser Score kombiniert Atemfrequenz, Fieber und den Schockindex (Herzfrequenz geteilt durch systolischen Blutdruck) und kann zur Risikostratifizierung von Patienten mit Verdacht auf Sepsis verwendet werden.
- Endtidales CO2 (EtCO2): Ein niedriger EtCO2-Wert (< 25 mmHg) kann in Kombination mit anderen klinischen Anzeichen auf eine Hypoperfusion hindeuten, die bei Sepsis auftreten kann.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Tools als Hilfsmittel dienen und die klinische Beurteilung durch den erfahrenen Rettungsdienstmitarbeitenden nicht ersetzen können.
Fieber senken in der Präklinik: Routinemaßnahme oder differenzierte Entscheidung?
Die präklinische Senkung von Fieber ist eine gängige Praxis. Es gibt jedoch zunehmend Hinweise darauf, dass moderates Fieber (unter 39,5°C) eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen kann. Studien deuten darauf hin, dass die routinemäßige Unterdrückung von moderatem Fieber die körpereigene Immunantwort beeinträchtigen und möglicherweise sogar die Krankheitsdauer verlängern könnte.
Im Kontext von Sepsis ist die Frage der Fiebersenkung noch komplexer. Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Fieber bei septischen Patienten sogar mit einer geringeren Sterblichkeit verbunden sein könnte als Normothermie oder Hypothermie. Die routinemäßige präklinische Anwendung von Fiebersenkern bei Verdacht auf Sepsis könnte daher möglicherweise schädlich sein, indem sie eine potenziell vorteilhafte Immunantwort stört.
Fazit: Ein Aufruf zur Reflexion
Die präklinische Versorgung von Patienten mit Fieber und Verdacht auf Sepsis erfordert einen differenzierten Ansatz. Während die Senkung von hohem Fieber zur Linderung von Beschwerden und zur Vermeidung von Komplikationen wie Krampfanfällen wichtig sein kann, sollte die routinemäßige Senkung von moderatem Fieber, insbesondere bei Verdacht auf Sepsis, kritisch hinterfragt werden. Die aktuellen präklinischen Protokolle bieten oft wenig Flexibilität in dieser Frage. Es ist wichtig, dass Rettungsdienstmitarbeitende sich der potenziellen Vorteile von Fieber im Rahmen der Immunantwort bewusst sind und die Entscheidung zur Fiebersenkung im Kontext des gesamten klinischen Bildes und unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien treffen. Dieser Beitrag soll als Denkanstoß dienen, um die gängige Praxis zu reflektieren und möglicherweise Raum für eine individualisiertere Patientenversorgung zu schaffen.