Was ist HeadUp CPR?
Die Überlebensraten nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand bleiben trotz verbesserter Reanimationstechniken eine große Herausforderung. Die konventionelle Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) am flach liegenden Patienten erreicht oft nur einen Bruchteil des normalen Blutflusses zum Gehirn, was zu anhaltenden Schäden oder zum Tod führen kann. Dies treibt die Forschung an innovativen Methoden wie der HeadUp CPR (HUP CPR) voran.
HeadUp CPR ist eine experimentelle Methode, bei der die Wiederbelebung mit erhöhtem Kopf und Oberkörper des Patienten durchgeführt wird. Ziel ist es, die Schwerkraft zu nutzen, um den Blutfluss zu Gehirn und Herz zu verbessern und schädliche Drücke im Schädelinneren zu reduzieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass HUP CPR selten isoliert angewendet wird, sondern meist Teil eines „Bündels“ von Interventionen ist, das aktive Kompression-Dekompression (ACD), ein Impedanzschwellen-Gerät (ITD) und oft auch mechanische HLW-Geräte umfasst.
Die physiologischen Vorteile von HeadUp CPR: Warum es funktioniert
Die potenziellen Vorteile der HeadUp CPR ergeben sich aus der Optimierung der Organperfusion während eines Herz-Kreislauf-Stillstands.
Verbesserte zerebrale Perfusion und reduzierter intrakranieller Druck (ICP)
Einer der Hauptvorteile ist die deutliche Verbesserung der Gehirndurchblutung (zerebrale Perfusion) und die gleichzeitige Reduktion des intrakraniellen Drucks (ICP). Die Kopf-hoch-Position unterstützt den venösen Abfluss aus dem Gehirn, senkt den ICP und fördert so den Blutfluss zum Gehirn. Studien zeigen, dass HUP CPR den ICP signifikant senken und den zerebralen Perfusionsdruck (CerPP) erhöhen kann. Eine Studie am Menschen beobachtete eine mediane Zunahme des zerebralen Blutflusses im präfrontalen Bereich um 14,6% in der Kopf-hoch-Position.
Erhöhte koronare Perfusion (Herzdurchblutung)
HUP CPR kann den koronaren Perfusionsdruck (CoPP) verbessern, indem es den venösen Rückfluss zum Herzen und den Druck im rechten Vorhof reduziert. Dies erleichtert dem Herzen die Aufnahme von sauerstoffreichem Blut und erhöht potenziell die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC).
Die Rolle unterstützender Geräte (ACD+ITD, mechanische CPR)
Die physiologischen Vorteile von HUP CPR werden maßgeblich durch die Kombination mit spezifischen Geräten maximiert. ACD+ITD-Geräte verbessern die Hämodynamik, indem sie den intrathorakalen Druck senken und den venösen Rückfluss erhöhen. Mechanische HLW-Geräte gewährleisten gleichbleibend hochwertige Kompressionen, was in der Kopf-hoch-Position besonders wichtig ist.
Parameter | Effekt bei konventioneller CPR | Effekt bei HeadUp CPR |
Intrakranieller Druck (ICP) | Erhöht | Signifikant reduziert |
Zerebraler Perfusionsdruck (CerPP) | Suboptimal | Signifikant verbessert |
Zerebraler Blutfluss (BBF) | Suboptimal | Erhöht (z.B. +14,6% im präfrontalen Bereich) |
Koronarer Perfusionsdruck (CoPP) | Suboptimal | Potenziell verbessert |
Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC) | Variabel, gering | Potenziell erhöht |
Neurologisch intaktes Überleben | Herausfordernd | Potenziell höhere Raten |
Vielversprechende Ergebnisse: Was die Forschung zeigt
Die Forschung zu HeadUp CPR hat vielversprechende Ergebnisse geliefert, die das Potenzial dieser Methode aufzeigen.
Positive Ergebnisse aus Tierstudien
Präklinische Tiermodelle, insbesondere Schweinemodelle, zeigen konsistent signifikante Verbesserungen bei physiologischen Parametern wie ICP, CerPP, BBF und CoPP. Einige Studien berichteten auch über verbesserte neurologische Ergebnisse und höhere ROSC-Raten.
Erste menschliche Beobachtungsstudien
Die Evidenz am Menschen ist noch begrenzt und besteht hauptsächlich aus Beobachtungsstudien. Eine Studie berichtete über eine Verdopplung der ROSC-Rate (von 17,9% auf 34,2%) mit HUP CPR. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass eine frühere Empfehlung zur weitreichenden Einführung später zurückgenommen wurde, da sie nicht durch ausreichend hochwertige Evidenz gestützt war.
Bedeutung spezifischer Protokolle (graduelle Elevation, Timing)
Die Durchführung von HUP CPR ist entscheidend. Eine graduelle Anhebung des Kopfes und Thorax über etwa 2 Minuten nach einer kurzen Phase der „zirkulatorischen Grundierung“ mit ACD+ITD-Geräten führt zu besseren Ergebnissen. Eine zu schnelle Anhebung kann hingegen negative Effekte haben. Dies unterstreicht, dass HUP CPR ein präziser, zeitlich abgestimmter und gerätegestützter Prozess ist.
Herausforderungen und der Weg in die Leitlinien: Warum es noch nicht Standard ist
Trotz vielversprechender Daten ist HeadUp CPR noch nicht in den offiziellen Reanimationsleitlinien verankert.
Mangel an hochqualitativen Humanstudien (RCTs)
Der Hauptgrund ist der Mangel an großen, multizentrischen, randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) am Menschen, die als Goldstandard für die Evidenzgenerierung gelten. Tierstudien und Beobachtungsstudien am Menschen sind nicht ausreichend, um eine routinemäßige Anwendung zu unterstützen.
Logistische Hürden und Komplexität der Implementierung
Die Umstellung von Patienten in eine Kopf-hoch-Position im Notfall stellt logistische Herausforderungen dar. HUP CPR ist oft an spezielle mechanische HLW-Geräte und Positionierungsvorrichtungen gekoppelt, die nicht überall verfügbar sind und hohe Kosten verursachen. Der hohe Schulungsbedarf und die Komplexität des Protokolls sind weitere Hindernisse.
Risiko suboptimaler manueller Brustkompressionen
Das Anheben des Oberkörpers kann die Effektivität manueller Brustkompressionen mindern. Daher wird die Verwendung mechanischer Kompressionsgeräte oft als notwendig erachtet.
Aktuelle Leitlinienempfehlungen
Internationale Leitliniengremien wie das International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) und der European Resuscitation Council (ERC) haben die Evidenz bewertet. ILCOR empfiehlt gegen den routinemäßigen Einsatz von HUP CPR außerhalb klinischer Studien, da die Evidenzqualität als „sehr gering“ eingestuft wird. Die ERC 2025 BLS-Leitlinie erkennt das wachsende Interesse an HUP CPR an, weist aber explizit darauf hin, dass bestehende Studien ein Bündel von Interventionen umfassen und Evidenz für HUP CPR ohne diese anderen Elemente fehlt. Die aktuellen Leitlinien betonen weiterhin die Durchführung der HLW in Rückenlage als Standard. Eine frühere Empfehlung zur weitreichenden Einführung von Neuroprotective CPR (NPCPR), die HUP CPR beinhaltet, wurde zurückgenommen, da sie nicht durch ausreichend hochwertige Evidenz gestützt war.
Evidenzlage zu HeadUp CPR: Eine Übersicht
Studientyp | Anzahl/Art der Studien | Wichtigste Erkenntnisse/Schlussfolgerungen | Einfluss auf aktuelle Leitlinien |
Tierstudien | Zahlreich (z.B. Schweinemodelle) | Positive physiologische Effekte (ICP↓, CerPP↑, BBF↑, CoPP↑), verbesserte neurologische Ergebnisse | Nicht ausreichend für routinemäßige Empfehlung am Menschen |
Menschliche Beobachtungsstudien | Begrenzt (Fallserien, prä-post-Analysen) | Erste positive Trends (z.B. verdoppelte ROSC-Rate), hypothesengenerierend | Nicht ausreichend für definitive Aussagen über Wirksamkeit und Sicherheit |
Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) | Fehlend (als Goldstandard) | Goldstandard für Evidenz, noch ausstehend | Hauptgrund für die Nicht-Aufnahme in Leitlinien; dringend erforderlich |
Aktuelle Leitlinien (ILCOR, ERC, AHA) | Umfassende Bewertung der Evidenz | Empfehlung gegen Routineeinsatz außerhalb von Studien; betonen HLW in Rückenlage | Vorsichtige Haltung aufgrund sehr geringer Evidenzqualität und fehlender RCTs |
Die Zukunft von HeadUp CPR und Chancen in den Leitlinien
Trotz der aktuellen Zurückhaltung in den Leitlinien bleibt HUP CPR ein spannendes und vielversprechendes Konzept. Sein derzeitiger „experimenteller“ Status ermöglicht eine fortgesetzte, rigorose Prüfung.
Bedeutung weiterer Forschung und klinischer Studien
Die vorliegenden Daten rechtfertigen eine weitere intensive Erforschung. Die Notwendigkeit weiterer, hochqualitativer Forschung, insbesondere großer, multizentrischer, randomisierter kontrollierter Studien am Menschen, ist entscheidend für die zukünftige Integration in die klinische Praxis. Diese Studien sind unerlässlich, um die Wirksamkeit und Sicherheit von HUP CPR unter realen Bedingungen zu bestätigen und die optimalen Protokolle zu definieren.
Chancen in den Leitlinien
Die Chancen, dass HeadUp CPR in den neuen Leitlinien Erwähnung findet, sind derzeit noch begrenzt, aber es gibt Anzeichen für ein wachsendes Interesse:
Erste Erwähnung in Entwürfen:
Die ERC 2025 BLS-Leitlinie erwähnt HeadUp CPR als ein Thema, das innerhalb der Reanimationsgemeinschaft auf wachsendes Interesse stößt. Dies ist ein erster Schritt, da es zeigt, dass das Konzept von den Leitliniengremien wahrgenommen wird.
Anerkennung des „Bündels“:
Die Leitlinien erkennen an, dass bestehende Studien zu HeadUp CPR ein „Bündel von Interventionen“ umfassen und Evidenz für HeadUp CPR ohne diese anderen Elemente fehlt. Dies deutet darauf hin, dass zukünftige Empfehlungen möglicherweise nicht nur die Kopfanhebung isoliert betrachten, sondern das gesamte, synergistische Protokoll.
Bedarf an hochwertiger Evidenz:
Trotz des Interesses betonen ILCOR und ERC weiterhin, dass die aktuelle Evidenzqualität für den routinemäßigen Einsatz von HUP CPR als „sehr gering“ eingestuft wird und große, randomisierte kontrollierte Studien am Menschen fehlen. Eine frühere Empfehlung zur weitreichenden Einführung wurde sogar zurückgenommen, was die Vorsicht der Gremien unterstreicht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass HeadUp CPR zwar in den Entwürfen der Leitlinien erwähnt wird und ein wachsendes Interesse besteht, eine Aufnahme als Standardverfahren jedoch erst erfolgen wird, wenn robuste, hochqualitative Humanstudien die Wirksamkeit und Sicherheit eindeutig belegen. Die Leitliniengremien legen großen Wert auf evidenzbasierte Medizin und werden keine unbewiesenen Interventionen empfehlen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.
Fazit
HeadUp CPR ist ein vielversprechender Ansatz in der Reanimation, der das Potenzial hat, die Überlebensraten und neurologischen Ergebnisse zu verbessern. Die zugrunde liegenden physiologischen Mechanismen sind gut verstanden und durch präklinische Studien belegt.
Trotz dieser vielversprechenden Daten ist die aktuelle Evidenzlage noch nicht ausreichend robust für eine breite klinische Empfehlung. Der Mangel an großen, randomisierten kontrollierten Studien am Menschen, logistische Herausforderungen und die Notwendigkeit präziser, protokollbasierter Anwendungen sind die Hauptgründe, warum HUP CPR derzeit nicht in den offiziellen internationalen Leitlinien enthalten ist.
Die medizinische Gemeinschaft wartet auf weitere, hochwertige Forschung, um das volle Potenzial von HUP CPR umfassend zu bewerten und seinen definitiven Platz in der modernen Reanimation zu definieren. Bis dahin bleibt es eine spannende und vielversprechende Methode, die vorrangig im Rahmen von gut konzipierten klinischen Studien und Forschungsinitiativen angewendet werden sollte.
Quellen:
“Head Up CPR” Is Not Ready for Widespread Adoption
Effects of Head-Up CPR: BLS (2503) TF 2025 SR
ERC BLS Guideline 2025 V3.0 public comments
Does ‘heads-up’ cardiopulmonary resuscitation improve outcomes for patients in out-of-hospital cardiac arrest?
The effect of the head-up position on cardiopulmonary resuscitation