Die neuen Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) sind da und definieren den Goldstandard der Reanimation für die kommenden Jahre. Für Notfallsanitäter (NotSan) bringen die ERC Guidelines 2025 wichtige Präzisierungen, neue Evidenzen und geschärfte Algorithmen, insbesondere in den Bereichen ALS und Post-ROSC-Care.

Auch wenn wir uns als NotSan auf ALS konzentrieren, bleibt die Stärkung der „Kette des Überlebens“ (Chain of Survival) entscheidend.

  • Laienhilfe im Fokus: Die Leitlinie bekräftigt, dass die Laienhilfe-Rate der wichtigste prähospitale Indikator für das Überleben ist. Das bedeutet: Jede Minute, die wir durch effektive Laien-CPR und eine schnelle telefonisch unterstützte Reanimation (T-CPR) gewinnen, ist Gold wert.
  • PRÜFEN – RUFEN – DRÜCKEN: Die Botschaft an die Bevölkerung bleibt einfach. Bei fehlender Reaktion und nur agonaler Atmung sofortige Thoraxkompressionen starten.
  • First Responder Systeme (App-basierte Alarmierung): Der Wert dieser Systeme wird weiter unterstrichen. Sie schließen das kritische Zeitfenster zwischen Notruf und Eintreffen des Rettungsdienstes.

Im erweiterten Bereich geht es primär um die Optimierung der Perfusion, die Minimierung der „Hands-off“-Zeiten und präziseres Vorgehen bei den Rhythmusstörungen.

A) Thoraxkompression und Perfusion

Die Qualität der Thoraxkompression ist der stärkste Überlebensprädiktor. Neu ist die Integration prähospital messbarer Perfusionsparameter:

  • Ziele für Perfusions-Monitoring:
    • Diastolischer Blutdruck (30 mmHg): Eine frühzeitige, invasive Blutdruckmessung (z.B. mittels Arterienkatheter im Schockraum) oder eine Schätzung des diastolischen Blutdrucks wird empfohlen. Ein diastolischer Wert von 30mmHg während der Kompression gilt als Indikator für eine suffiziente Koronarperfusion.
    • End-Tidal (etCO2 25 mmHg): Die Kapnometrie ist unser wichtigstes prähospitales Tool zur Beurteilung der Kompressionsqualität. Ein etCO2-Wert von25 mmHg korreliert mit einer guten Perfusion. Ein plötzlicher Anstieg über diesen Wert hinaus ist oft das erste Zeichen für einen ROSC.
  • Mechanische Reanimationshilfen: Der Stellenwert maschineller Kompressionshilfen (z.B. Lucas, Corpuls cpr) wird insbesondere im Kontext von Transport, langer Reanimation, limitierter Personalanzahl oder speziellen Situationen (z.B. eCPR-Vorbereitung) hervorgehoben.

B) Defibrillation und Rhythmus

Der Fokus liegt auf maximal schneller Schockabgabe bei schockbarem Rhythmus (VF/pVT):

  • Precharging (Vorschock-Laden): Bei gut trainierten Teams wird empfohlen, den Defibrillator während der letzten Sekunden der Thoraxkompression zu laden (Precharging). Dies reduziert die kritische „Hands-off“-Zeit zwischen dem Stoppen der Kompression und der Schockabgabe.
  • Vector Change: Bei refraktärem Kammerflimmern (nach 3 erfolglosen Schocks) kann ein Vector Change erwogen werden. Hierbei wird die Position der Defibrillationselektroden (z.B. von antero-apikal auf antero-posterior) geändert.
  • Doppelt-sequentielle Defibrillation (DSDE): Die routinemäßige Anwendung der DSDE mit zwei Defibrillatoren wird in den 2025er Leitlinien nicht empfohlen.

C) Medikamente und Atemweg

  • Adrenalin: Die frühestmögliche Gabe von Adrenalin bei nicht-schockbaren Rhythmen (Asystolie/PEA) bleibt ein zentraler Bestandteil der Therapie.
  • Antiarrhythmika: Die Gleichwertigkeit von Amiodaron (300 mg) und Lidocain (1-1,5 mg/kg KG) nach dem dritten erfolglosen Schock wird beibehalten.
  • Atemweg: Wenn ein invasiver Atemweg (Larynxmaske,ET Tubus) etabliert ist, gilt: kontinuierliche Kompressionen und Beatmung mit 10-12 Atemhüben/min. Die Wahl des Atemwegs prähospital (supraglottisch vs. intubiert) sollte vom erwarteten Nutzen, der Erfahrung und der Umgebung abhängen.

Die Versorgung unmittelbar nach der Wiederbelebung ist entscheidend für das neurologische Outcome.

  • Kreislaufziele (Hämodynamik):
    • Ziel-Sauerstoffsättigung SpO2 92-98%(Vermeidung von Hyperoxie!).
    • Ziel-Kapnie PaCO2 Normokapnie 35-45 mmHg).
    • Ziel-Blutdruck: Systolischer Blutdruck 100 mmHg oder ein MAP 65 mmHg ist anzustreben. Bei Nicht-Erreichen soll die Volumen- und Vasopressorentherapie (z.B. Noradrenalin) frühzeitig begonnen werden.
  • Temperaturmanagement (TTM):
    • Die neue Empfehlung konzentriert sich auf die aktive Fiebervermeidung (Zieltemperatur 37,5°C).
    • Eine Kühlung auf die aggressive 32-34°C wird nicht mehr routinemäßig für alle Patienten nach ROSC empfohlen.
  • Herzkatheter (Koronarangiografie):
    • Bei ROSC und persistierenden ST-Hebungen im EKG bleibt die dringliche Herzkatheteruntersuchung das Vorgehen der Wahl.
    • Neu: Bei hämodynamisch stabilen Patienten ohne ST-Hebungen soll die routinemäßige sofortige Koronarangiografie nicht mehr erfolgen (wird zugunsten von weiterführenden Diagnostiken aufgeschoben).

Die Leitlinien 2025 sind keine Revolution, sondern eine Evolution, gestützt auf neue Evidenz. Für uns im Rettungsdienst bedeutet das:

  1. High-Quality-CPR ist das A und O. Nutzen SieetCO2 zur Qualitätskontrolle.
  2. „Hands-off“ minimieren durch Techniken wie Precharging und klare Kommunikation.
  3. Die Post-ROSC-Ziele (Hypertonie/Fieber/Hypoxie vermeiden) frühzeitig und aggressiv verfolgen.

Indem wir diese präzisierten Standards anwenden, können wir die Überlebenswahrscheinlichkeit unserer Patienten signifikant verbessern. 🚀


Quellen: European Resuscitation Council (ERC) Guidelines 2025; Deutscher Rat für Wiederbelebung (GRC).

ERC Reanimationsleitlinien 2025: Das Update für Notfallsanitäter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.